Was bedeutet die Emotions-fokussierte Paartherapie?
Die emotionsfokussierte Paartherapie (EFT) wurde von Dr. Sue Johnson entwickelt und zählt heute zu den wirkungsvollsten Ansätzen in der Paartherapie. Sie basiert auf Bindungstheorie, Emotionspsychologie und moderner Forschung zum menschlichen Miteinander.
Ihr zentrales Verständnis lautet:
Beziehungskonflikte entstehen nicht durch Sachprobleme – sondern durch emotionale Schutzreaktionen, ausgelöst von verletzter Bindung.
Wenn wir uns zurückgewiesen, nicht gesehen oder im Stich gelassen fühlen, reagieren wir oft mit Wut, Rückzug oder Vorwürfen. Diese Schutzmuster sind verständlich – sie zeigen an, dass etwas in der Verbindung unsicher geworden ist. Doch genau diese Reaktionen führen beim Gegenüber oft ebenfalls zu Schutz – und ein Teufelskreis entsteht.
Die emotionsfokussierte Paartherapie unterbricht diesen Kreislauf. Sie hilft Paaren, wieder zueinander zu finden – nicht über Argumente, sondern über emotionales Erleben und echte Verbindung.
Wie ist der Ansatz?
Die EFT geht davon aus, dass jeder Mensch ein tiefes Bedürfnis nach emotionaler Sicherheit, Nähe und Resonanz hat – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Persönlichkeit.
Wenn dieses Bedürfnis gefährdet ist, aktivieren wir Überlebensstrategien. Diese werden oft missverstanden:
Die Wut sagt nicht „Du bist falsch“, sondern oft „Ich brauche dich“.
Der Rückzug sagt nicht „Es ist mir egal“, sondern „Ich bin überfordert“.
Das Schweigen schützt vielleicht vor Entwertung – nicht aus Gleichgültigkeit, sondern aus Angst.
Die therapeutische Haltung in der EFT ist dabei klar:
Beide Partner haben gute Gründe für ihr Verhalten. Es geht nicht um Schuld, sondern um das Verstehen tieferer emotionaler Ebenen – und das Schaffen eines neuen sicheren Beziehungsraumes.
Wo liegt der Fokus in der Paar-Sitzung?
Im Zentrum steht das Erleben im Hier und Jetzt. Es wird nicht nur über vergangene Situationen gesprochen, sondern geforscht:
Was passiert jetzt gerade, wenn du über diese Verletzung sprichst?
Was fühlst du unter dem Vorwurf – vielleicht Schmerz, Angst, Sehnsucht?
Die Therapeutin oder der Therapeut unterstützt das Paar darin:
emotionale Muster zu erkennen (z. B. Rückzug – Angriff – Rückzug),
unter den Schutzreaktionen die echten Gefühle sichtbar zu machen,
neue, sichere Dialoge zu ermöglichen, in denen Nähe wieder entsteht.
Diese Gespräche sind keine reinen Problemlösungs-Gespräche – sondern emotional korrigierende Erfahrungen. Wenn ein Mensch sagen kann: „Ich war nicht wütend – ich hatte Angst, dich zu verlieren“, und das Gegenüber antwortet: „Das habe ich nie gehört – und es berührt mich sehr“, dann geschieht etwas Tiefgreifendes. Nähe wird wieder möglich.
Was ist der Unterschied zur „normalen“ Paartherapie?
Viele Paartherapieansätze arbeiten mit Kommunikationstechniken, Kompromissfindung oder Verhaltenstipps. Diese können hilfreich sein – aber sie erreichen oft nicht den Kern. Denn das eigentliche Problem liegt nicht im „Wer hat recht?“ oder „Wer gibt nach?“, sondern in den emotionalen Schutzschichten, die Nähe verhindern.
Die emotionsfokussierte Paartherapie geht tiefer. Sie fragt nicht: „Wie kann man besser streiten?“, sondern:
👉 „Was wird in eurer Bindung aktiviert, wenn ihr euch streitet?“
👉 „Was schützt ihr in euch – und was wünscht ihr euch voneinander?“
So entsteht nicht nur besseres Verstehen, sondern eine neue Verbindung auf emotionaler Ebene. Das ist oft der Wendepunkt – nicht nur für die Beziehung, sondern auch für das eigene Erleben von Nähe, Sicherheit und Ausdruck.
Fazit
Die emotionsfokussierte Paartherapie ist ein zutiefst menschlicher Weg zurück in Verbindung. Sie arbeitet nicht mit Schuld oder Techniken, sondern mit Ehrlichkeit, Gefühlen und sicherem Kontakt.
Wenn Paare beginnen, sich wieder wirklich zu sehen – nicht durch Schutzmuster, sondern durch das, was darunter liegt – entsteht Raum für neue Nähe. Und manchmal auch für eine ganz neue Art, sich zu lieben.



